Bürgerdebatte über Steuergerechtigkeit gestartet

40 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland diskutieren in Erfurt über Einnahmen, Ausgaben und Gerechtigkeit

In Erfurt hat am Donnerstag die Bürgerdebatte „Gerechte Steuern und Finanzen“ ihre Arbeit aufgenommen. 40 per Losverfahren ausgewählte Menschen treffen sich an zwei Wochenenden, um über eine der grundlegendsten Fragen unserer Demokratie zu sprechen: Wie soll das Geld des Staates eingenommen und wie gerecht verteilt werden?

Die Teilnehmenden sind so vielfältig wie das Land – sie kommen aus Großstadt und Dorf, aus Ost und West, sind zwischen 16 und 78 Jahre alt. Sie sind keine Finanzprofis, sondern Erzieherin, Elektriker, Verwaltungsbeamtin, Lehrer, Schülerin, Polizist im Ruhestand, Student. Jeder bringt eigene Erfahrungen mit. Fachliche Hintergründe erhalten sie direkt von anwesenden Expertinnen und Experten.

Zum Auftakt ging es darum, ein Gefühl für den Bundeshaushalt zu bekommen. Welche Einnahmen hat der Staat? Wohin fließt das Geld? Wer zahlt wie viel – und wofür? In Kleingruppen wurde diskutiert, gerechnet und visualisiert – etwa mit Legosteinen und Schaumstoffblöcken, die den Haushalt greifbar machten. Die Methoden halfen, Strukturen verständlich zu machen, ohne Inhalte zu vereinfachen.

In den kommenden Tagen stehen diese Themen im Mittelpunkt: große Vermögen, soziale Sicherung, der Umgang mit Steuergeldern – sowie ein weiteres Thema, das die Gruppe selbst wählt. Ziel ist es, gemeinsame Empfehlungen zu entwickeln, die später veröffentlicht und in die politische Debatte eingebracht werden.

„Viele Teilnehmende kamen mit Respekt vor dem Thema. Doch schon nach wenigen Stunden wich die anfängliche Zurückhaltung einer spürbaren Neugier und Begeisterung.“, sagt Claudine Nierth, Vorstandssprecherin von Mehr Demokratie. 

Cedrick Wiegand (16), Schüler aus der Nähe von Bad Salzungen:

„Ich bin mit den Themen bisher kaum in Kontakt gekommen und freue mich, dass ich hier so viel lernen kann. Und da ist auch ein bisschen die Hoffnung da, dass man in der Politik etwas ändern kann – und vielleicht Anstöße geben kann.“

Renate Elvira van der Voort (74), ehemalige Sozialarbeiterin aus Hannover:

„Es geht ja auch um die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder – deshalb war es mir ungeheuer wichtig, hier dabei zu sein.“

Diskutiert wird sowohl in Kleingruppen als auch im Plenum – begleitet von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die für Rückfragen zur Verfügung stehen. Unter anderem stehen Dr. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Martin Beznoska vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für Fragen zur Verfügung. Auch weitere Experten sind vor Ort und erklären auf Nachfrage direkt an den Tischen Begriffe und Zusammenhänge, die im Gespräch auftauchen.

Die Bürgerdebatte ist Teil eines dreistufigen Beteiligungsprozesses. Auf eine breit angelegte Onlinebefragung folgt nun die intensive Auseinandersetzung in Erfurt. Anschließend sollen die erarbeiteten Ergebnisse in der Öffentlichkeit diskutiert und an politische Entscheidungsträger übergeben werden.

„Diese Debatte ist überfällig: Eine neue Regierung ist im Amt, doch viele Fragen rund um Steuerpolitik und staatliche Ausgaben sind offen. Zwei Haushalte müssen verabschiedet werden – doch viele Entscheidungen fallen weitgehend unbeachtet in Ausschüssen. Das wollen wir ändern: mit einer öffentlichen, informierten und vielfältigen Debatte“, so Nierth weiter. „Hier bei der Bürgerdebatte zeigt sich gelebte Demokratie: Menschen, die sonst kaum mit Finanzpolitik zu tun haben, übernehmen Verantwortung – und begegnen sich dabei mit großem Respekt.“

Hintergrund

Veranstaltet wird die Bürgerdebatte von den drei Organisationen Mehr Demokratie, dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und dem Bund der Steuerzahler. Finanziell gefördert wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung, der Schöpflin Stiftung und der GLS Treuhand.

Mehr Demokratie hat in den vergangenen Jahren bereits mehrere Bürgerräte organisiert – unter anderem den BürgerratErnährung im Auftrag des Deutschen Bundestags. Der Verein setzt sich seit über 35 Jahren für direkte Demokratie, Bürgerbeteiligung, faires Wahlrecht und mehr Transparenz ein.

 

Weitere Informationen: www.steuerdebatte.info

Fotos von der Bürgerdebatte: https://www.flickr.com/photos/mehr-demokratie/albums/72177720326390535/with/54546702826/

 

Kontakt:

Jan Schäfer, Mehr Demokratie e. V., presse@mehr-demokratie.de

Telefon: 030 42082363 / Mobil: 0160 5984449